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Alle Oberthemen / Psycholgie / Sozialpsychologie 03407

7. Soziale Bewegungsbeteiligung (22 Karten)

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Soziale Bewegung
Soziale Bewegung: Eine große Anzahl von Personen, die sich selbst als Gruppe definieren und von anderen so definiert werden. Ziel sozialer Bewegungen ist es, ein gemeinsames soziales oder politisches Problem zu lösen. Dabei setzen sie unterschiedliche Formen des politischen Protests ein.

soziale Gruppe, deren Ziel es ist, gemeinschaftlich einen sozialen Wandel herbeizuführen

„effort[s] by a large number of people, who define them-selves, and are also often so defined by others, as a group, to solve col-lectively a problem they feel they have in common, and which is perceived to arise from their relations with other groups”

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Soziale Bewegungen setzen unterschiedliche Strategien ein, um ihre Ziele zu realisieren
  • Während sich nach innen gerichtete Aktivitäten der Bewegung an die eigenen Mitglieder oder Sympathisanten richten (z.B. der Aufbau von Netzwerken und Organisations-strukturen),
  • zielen nach außen gerichtete Aktivitäten (z.B. kollektiver Protest) darauf ab, einen sozialen Wandel im Sinne der Ziele der Bewegung herbeizuführen (oder einen Wandel entgegen der Ziele zu verhindern).
  • - eher moderat oder militant sind (Verteilung von Flugblättern vs. Sitzblockaden), - bzw. ob sie sich innerhalb oder außerhalb eines gesellschaftlich definierten normativen Rahmens bewegen (genehmigte Pro-testkundgebungen vs. die Verwüstung öffentlicher Gebäude oder Instituti-onen).
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Die aktive Teilnahme an einer sozialen Bewegung (die Partizipation) lässt sich anhand der Dimensionen Aufwand und Zeitdauer klassifizieren. Die Partizipation kann:
Ein einmaliger Verhaltensakt sein
- der wenig Aufwand oder Kosten beinhaltet (z.B. eine Petition unterschrieben); sie kann
- der jedoch sehr kostspielig und risikoreich ist (z.B. die Teilnahme an einer Sitzblockade oder eine unerlaubten Demonstration); sie kann
zeitlich unbegrenzt seinund wenig Kosten und Aufwand verursachen (z.B. einen jährlichen Mitgliedsbeitrag an eine formale Organi-sation der Bewegung entrichten) und
lang andauernd und aufwändig sein (z.B. dauerhafte und zeitintensive ehrenamtliche Mitarbeit in der Bewegung).
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Sozialpsychologische Analyse von sozialer Bewegungsbeteiligung auf der Mesoebene
Frage, wann und warum sich Menschen an sozialen Bewegungen beteiligen (bzw. wann sie sich zu einer solchen formieren), lässt sich auf unterschiedlichen Analyseebenen sozial- und verhaltenswis-senschaftlicher Forschung untersuchen

Die sozialpsychologische Analyse hat ihren Schwerpunkt an der Schnittstelle der Mikroebene (z.B. in der Analyse der Motive der Beteiligung oder Nichtbeteiligung) und der Mesoebene (z.B. in der Analyse der Generierung sozial geteilter Deutungen und Interpretationen).
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Vier-Stufen Modell sozialer Bewegungsbeteiligung - Bernd Klandermans
Nach Klandermans muss ein potentieller Bewegungsteilnehmer bis zur Teilnahme an Aktionen einer sozialen Bewegung die folgenden vier Stufen überwinden:
1. Teil des Mobilisierungspotentials der sozialen Bewegung werden
2. Ziel werden von Mobilisierungsversuchen,
3. Teilnahmemotivation entwickeln und schließlich
4. Teilnahmebarrieren überwinden
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Vier-Stufen Modell sozialer Bewegungsbeteiligung -
Bernd Klandermans
Mobilisierungspotential
Eine Person wird als Teil des Mobilisierungspotentials betrachtet, wenn sie mit der entsprechenden sozialen Bewegung sympathisiert oder präziser, wenn sie mit deren Anhängern einen Collective Action Frame teilt.

Ein Collective Action Frame ein System sozial geteilter Meinungen und Überzeugungen, die zur Interpretation der sozialen Prob-lemsituation herangezogen werden und aus denen sich angemessene kollektive (Re-)Aktionen ableiten lassen.

Gamson unterscheidet drei Komponenten des Collective Action Frame
(1) Eine Ungerechtigkeitskomponente, mittels derer persönliche Notlagen oder soziale Missstände als Ungerechtigkeit interpretiert werden können,
(2) eine Identitätskomponente, welche die Kategorisierung und die Unterscheidung „wir“ vs. „die“ beinhaltet und
(3) eine Handlungskomponente, die nahelegt, dass sozialer Wandel möglich ist, mit welchen Mitteln er erreicht werden kann und dass die soziale Bewegung die Fähigkeit besitzt, diese Mittel erfolgreich anzuwenden.
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Vier-Stufen Modell sozialer Bewegungsbeteiligung -
Bernd Klandermans
Mobilisierungspotential - 1. Ungerechtigkeitskomponente
Soziale Diskriminierung, Benachteiligung oder Unterdrückung reflektieren Machtdifferenzen zwischen Gruppen.

Damit sich Angehörige einer statusniedrigen Gruppe einer sozialen Bewegung anschließen, müssen sie die bestehenden Machtdifferenzen und die daraus resultierenden sozialen und materiellen Ungleichheiten als illegitim ansehen.
oder
Behandlung durch Autoritäten als ungerecht wahrnehmen  (z.B. in der Form, dass diese die Benachteiligungssituation der Eigengruppe ignoriert)
-> Gefühlen fraternaler relativer Deprivation wie gruppenbasiertem Ärger, Wut oder Empörung
-> energetisieren regelrecht die Bereitschaft zu kollektivem Protest - insbesondere auch solcher jenseits normativer Standards wie Blockaden, Terroranschläge
--> Zuschreibung der ungerechten Situation zu Fremdgruppen

Zuschreibungen eigener Verantwortlichkeit („Self-Blame“) führen hingegen zur Akzeptanz der bestehenden Verhältnisse und gehen eher mit Selbstwertminderung und Resignation einher
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Vier-Stufen Modell sozialer Bewegungsbeteiligung -
Bernd Klandermans
Mobilisierungspotential - 2. Identitätskomponente
Aus sozialpsychologischer Sicht stellt eine sozial geteilte Identität eine entscheidende Voraussetzung für kollektiven Protest dar.

Die Identitätskomponente des Collective Actions Frame bezieht sich auf die kollekti-ve Definition dieses wir, die typischerweise in Abgrenzung zu einem die, nämlich dem politischen Gegner, erfolgt. -> leiten sich oft unmittelbar aus der relevanten sozialen Kategorisierung ab

Politisierung sozial geteilter Identität (z.B. Wann verstehen sich Arbeiter als Teil einer politischen Arbeiterklasse, die gegenüber Arbeitgebern selbst-bewusst für ihre Interessen eintritt?)
gehen drei Prozesse voraus:
(1) Wahrnehmung sozial geteilter Missstände: Die Gruppenmitglie-der teilen die Auffassung, dass es sich bei der Benachteiligung nicht um individuelle, sondern um Formen kollektiver Benachteili-gung handelt, die viele Mitglieder der Eigengruppe betreffen.
(2) Ursachenzuschreibung auf einen Gegner: Die Gruppenmitglie-der identifizieren einen politischen Gegner oder Feind, wie bei-spielsweise eine bestimmte Fremdgruppe, Autorität oder „das Sys-tem“, das für die Missstände verantwortlich ist.
(3) Triangulation der weiteren Gesellschaft: Die Gruppe weitet die Konfrontation mit dem Gegner in einen umfassenderen Machtkampf aus, der die Gesellschaft insgesamt (oder gesellschaftliche Repräsentanten) dazu zwingt, Partei zu ergreifen.

Person, die sich im Sinne dieser Gruppenzugehörigkeit definiert, hat unmittelbare politische Bedeutung. Sie impliziert, sich selbstbewusst in einem Machtkampf für die Interessen der eigenen Gruppe zu engagieren.


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Vier-Stufen Modell sozialer Bewegungsbeteiligung -
Bernd Klandermans
Mobilisierungspotential - 3. Handlungskomponente
Die Handlungskomponente des Collective Action Frames bezieht sich auf die Einschätzung der Möglichkeiten, kollektive Ziele durchzusetzen.

Einschätzung können berauhen auf unterschiedlichen Überzeugungen:
1. Mitglieder sozial benachteiligter Gruppen an die Veränderbarkeit der bestehenden Strukturen glauben, damit sie sich an kollektiven Protestaktionen beteiligen (Tajfel & Turner, 1986).
2. Sei müssen von der  Wirksamkeit kollektiven Handelns als Mittel sozialen Wandels überzeugt sein und der Ansicht sein, dass die soziale Bewegung die notwendigen Ressourcen besitzt, dieses Mittel erfolgreich anzuwenden (Klandermans, 1989).

Gruppen müssen kollektive Wirksamkeitserwartungen ausbilden, um den Machtkampf mit den statushöheren Gruppen aufzunehmen.

Emporement: Potentielle Bewegungsteilnehmer müssen durch eigenes Handeln oder das Handeln anderer Personen erfahren, dass kollektives Handeln (z.B. kollektive Protestaktionen) eine erfolgversprechende Strategie ist, um Einfluss auf die bestehenden Verhältnisse auszuüben.
„political muscles and potential for external impact“ entdecken

Am Ort des Geschehens sehen alle Befragte, wie viele andere Personen zum Protest bereit sind. Je mehr Menschen teilnehmen, desto erfolgversprechender erscheint die Protest-aktion. Die Ausstrahlung kollektiver Stärke wiederum ermutigt Personen, die bislang weniger von den Erfolgsaussichten überzeugt waren, zur Teilnahme.
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Vier-Stufen Modell sozialer Bewegungsbeteiligung -
Bernd Klandermans
Mobilisierungsversuche
Sympathie mit der sozialen Bewegung bzw. die Übernahme eines Collective Action Frame sind notwendige, aber keine hinreichenden Bedingungen dafür, dass sich Menschen tatsächlich an Aktionen einer sozialen Bewegung beteiligen.

Das Mobilisierungspotential bzw. der potentielle Teilnehmer muss im Hinblick auf konkrete Aktionen (z.B. Demonstrationen, Kundgebungen) aktiviert werden.

Massenmedien haben sich in der Regel als wenig effektiv erwiesen. Dagegen spielen Netzwerke, basierend auf persönlichen Kontakten im Rahmen von Freundschaftsbeziehungen oder auch Organisationen, eine weitaus wichtigere Rolle. Dazu ist es notwendig Verbindungen zu anderen Organisationen zu knüpfen und bereits bestehende informelle oder formelle Strukturen aufgreifen und sich zu eigen machen.

en-bloc-Rekrutierung
. Je breiter das Netzwerk und je enger die Verbindungen zu anderen Organisationen und Netzwerken, desto größer ist die Anzahl der Personen, die Ziel von Mobilisierungsversuchen werden können
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Vier-Stufen Modell sozialer Bewegungsbeteiligung -
Bernd Klandermans
Teilnahmemotivation
Motivationsmodell beruht auf einer Kombination der Erwartungs-Wert-Theorie (Feather, 1982) mit der Collective Action Theory (Olson, 1968).

Die Motivation oder Bereitschaft zur Teilnahme an Aktionen einer sozialen Bewegung wird in diesem Modell als eine Funktion der erwarteten Kosten und Nutzen der Teilnahme aufgefasst.

Anreize
  • Kollektive Anreize beziehen sich auf das Ziel einer sozialen Bewegung (z.B. gleiche Rechte, Löhne etc.).
  • Ziel einer sozialen Bewegung stellt ein kollektives Gut dar, d.h. es kommt allen Menschen zugute, unabhängig davon, ob sie sich persönlich für die Zielerreichung eingesetzt haben oder nicht. -> kollektiver Nutzen als motivationaler Anreiz ist unzureichend, da Trittbrett-Fahrer nicht auszuschließen sind.
  • selektive Anreize, welche in soziale bzw. nicht-soziale Kosten und Nutzen unterteilt werden können (Olson, 1968).
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Klanderman - Drei unterschiedliche Motive sozialer Bewegungsbeteiligung
Klandermans (1984, 1997) zufolge lassen sich daher drei unterschiedliche Motive sozialer Bewegungsbeteiligung unterscheiden, von denen sich jedes auf unterschiedliche Typen erwarteter Kosten und Nutzen bezieht:

1) Das kollektive Motiv: Dieses Motiv bezieht sich auf die kollektiven Ziele der sozialen Bewegung. Im Einklang mit Erwartungs-Wert-Ansätzen wird das kollektive Motiv konzipiert als die multiplikative Funktion des Wertes, den der potentielle Teilnehmer dem kol-lektiven Ziel beimisst, und der subjektiven Wahrscheinlichkeit, dass das Ziel durch die kollektiven Aktionen der Bewegung erreicht wer-den kann. Die subjektive Wahrscheinlichkeit beruht auf drei unter-schiedlichen Erwartungen: zum Ersten der Erwartung, dass genü-gend andere Personen an der Aktion teilnehmen, zum Zweiten der Erwartung, dass die Ziele erreicht werden können, wenn viele Per-sonen an der Aktion teilnehmen und drittens die Erwartung, dass die eigene Teilnahme die Erfolgsaussichten verbessert.
2) Das soziale bzw. normative Motiv: Dieses Motiv bezieht sich auf die erwarteten Reaktionen signifikanter Anderer auf die eigene Teilnahme an kollektiven Aktionen (z.B. Anerkennung von oder Ab-lehnung durch Freunde oder die Familie).
3) Das Belohnungsmotiv: Dieses Motiv bezieht sich schließlich auf die selektiven Anreize im Sinne von eher materiellen Kosten und Nutzen (z.B. finanzielle Ausgaben oder Streikgeld). Wie im Falle des kollektiven und des sozialen Motivs ist das Belohnungsmotiv als die multiplikative Funktion des Wertes, den der potentielle Befragte diesen Kosten und Nutzen beimisst und der subjektiven Wahrscheinlichkeit, dass diese Kosten und Nutzen tatsächlich aus der Teilnahme resultieren, konzipiert.

Theorie des überlegten Handelns von Ajzen und Fishbein (1980) ausgedrückt, determinieren das kollektive Motiv und das Belohnungsmotiv gemeinsam die Einstellung gegenüber dem Verhalten während das normative Motiv der Komponente der subjektiven Norm innerhalb dieser Theorie entspricht. Einstellung und subjektive Norm bestimmen dann gemeinsam die Intenti-on oder Bereitschaft zur Teilnahme an kollektiven Protestaktionen.
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Vier-Stufen Modell sozialer Bewegungsbeteiligung -
Bernd Klandermans
Teilnahmebarieren
Wie Ajzen und Madden (1986) in der Theorie des geplanten Verhaltens hervorgehoben haben, hat die Verhaltensbereitschaft allerdings nur dann einen Einfluss auf die tatsächliche Ausübung des Verhaltens, wenn dieses unter willentlicher Kontrolle steht.

Ob ein potentieller Teilnehmer also tat-sächlich an einer kollektiven Protestaktion der Bewegung teilnimmt, hängt davon ab, wie er auf derartige Barrieren reagiert bzw. ob er annimmt, er ver-füge über die erforderlichen Fähigkeiten und Ressourcen, um die Barrie-ren überwinden zu können (Verhaltenskontrolle).


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Jenseits individueller Kosten und Nutzen: Soziale Identi-fikation und Emotion
Kritik an dem Klandermans’schen Modell innerhalb der sozialen Bewegungsforschung richtet sich vor allem gegen die Konzeption des potentiellen Teilnehmers als individuellen Kosten-Nutzen-Analytiker, wobei insbesondere die Vernachlässigung der Einflüsse von Gruppenprozessen auf die Entscheidungsprozesse kritisiert wird.

Mitglieder von Gruppen engagieren sich überdies auch dann für kollektive Ziele, wenn sie persönlich nicht von ihrer Durchsetzung profitieren, sei es, weil sie selbst nicht direkt von den Missständen betroffen sind, oder weil absehbar ist, dass ihr Engagement erst nachfolgenden Generationen zu Gute kommen wird, sie engagieren sich sogar, wenn wenn sie selbst mit steigenden persönlichen Kosten konfrontiert sind und der persönliche Nutzen, den sie aus dieser Verhaltensweise ziehen, nur marginal ist.

Um soziales Engagement für kollektive Ziele zu verstehen, bedarf es daher einer erweiterten Perspektive, die über das Individuum hinausgeht und die Beziehung zwischen Individuum und Gruppe stärker in den Blick nimmt.
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Sozialer Identitätsansatz und soziale Bewegungsbeteiligung
Menschliches Sozialverhalten hängt diesem Ansatz zufolge in entscheidendem Maße davon ab, ob sich Personen in einem bestimmten sozialen Kontext im Sinne ihrer personalen Identität („Ich“) definieren, oder im Sinne einer kollektiven Identität („Wir“).

Unterschied liegt im sozialen Inklusivitätsgrad:
Während die individuelle Identität eine Selbstdefinition auf der Basis individueller Eigenschaften und Interessen widerspiegelt, beruht die kollektive Identität einer Person auf ihrer Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe.

Dem sozialen Identitätsansatz zufolge wird das Erleben und Verhalten einer Person in dem Maße im Sinne einer bestimmten Gruppenmitgliedschaft beeinflusst, in dem die soziale Identität relativ zur personalen Identität phänomenal in den Vordergrund tritt.
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Determinanten der Selbstdefinition im Sinne sozialer Identität
Im Kontext der Auseinandersetzung zwischen Gruppen tragen verschiedene sozial-kontextuelle Faktoren dazu bei, dass sich Menschen im Sinne ihrer sozialen Identität definieren.

  • Wahrnehmungen eines gemeinsamen Gruppenschicksals und eines gemeinsamen Gegners tragen zu einer Akzentuierung der Differenzierung zwi-schen „uns“ und „denen“ bei und stärken dadurch das Bewusstsein der Gruppenangehörigen.
  • Wahrgenommenen sozio-strukturellen Charakteristika, die die Intergruppenbeziehung definieren: Selbstdefinition im Sinne einer sozialen Identität gestärkt wird, wenn die Gruppengrenzen undurchlässig sind und der niedrigere Status der Eigengruppe als illegitim und instabil wahrgenommen wird
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Soziale Identität als Determinante der Teilnahmemotivation
Soziale Identitätsprozesse sind auf allen Stufen des Modells von Klandermans (1997) von Bedeutung.

1. Teil des Mobilisierungspotentials werden
Soziale Bewegungen konstituieren sich häufig aus den Mitgliedern bereits bestehender Gruppen oder sozialer Kategorien (z.B. Arbeiter). Generierung und Verbreitung von „collective action frames“ wird so erleichtert.
2.  Ziel von Mobilisierungsversuchen werden

Da Personen, die sich stark mit ihrer Gruppe identifizieren, eher bereit sind, sich von Mitgliedern ihrer Eigengruppe überzeugen zu lassen, sollte eine starke kollektive Identität auch die Wahrscheinlichkeit des Erfolgs von Mobilisierungsversuchen seitens der Initiatoren einer sozialen Bewegung erhöhen.
3. Teilnahmemotivation entwickeln
Personen, die sich stark kollektiv identifizieren, selbst eine aktive Rolle in der Mobilisierung übernehmen, beispielsweise indem sie ihre Freundschaftsnetzwerke aktivieren.
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Auswirkungen der Selbstdefinition im Sinne sozialer Identität auf die Motivation zur Teilnahme:
1) Beeinflussung von Kalkulationsprozessen: Selbstdefinition im Sinne sozialer Identität beeinflusst die oben diskutierten Kosten-Nutzen-Kalkulationsprozesse. In dem Maße, in dem sich Personen im Sinne ihrer sozialen Identität definieren, sollten solche Kosten und Nutzen im Kalkulationsprozess besonders ins Gewicht fallen, die mit der Gruppenzugehörigkeit in Verbindung stehen, während Kosten und Nutzen, die mit individuellen Motiven und Präferenzen in Verbindung stehen, an Gewicht verlieren sollten.
Personen, die sich stark mit ihrer Gruppe identifizieren, eher bereit sind auf eigene Vorteile zu Gunsten des Wohlergehens der Gruppe zu verzichten
2) Internalisierung von Gruppenzielen: Selbstdefinition im Sinne sozialer Identität kann auch eigenständige Motivationsprozesse in Gang setzen. Übernahme einer sozialen Identität geht mit der Internalisierung von Normen, Werten und Zielen der Gruppe einher und werden dadurch für das eigene Verhalten verbindlich; dies wiederum führt dazu, dass sich Gruppenmitglieder im Sinne der Gruppe verhalten und sich aktiv für deren Ziel engagieren
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Empirische Befundlage
Bedeutung sozialer Identitätsprozesse für die soziale Bewegungsbeteiligung wurde in den vergangen Jahren in einer Reihe von Feldstudien in unterschiedlichen sozialen Bewegungskontexten bestätigt.

Stärke der sozialen Identifikation als ein signifikanter Prädiktor der Bereitschaft, sich aktiv an Aktionen der entsprechenden Bewegung zu beteiligen und für die Reali-sierung der Ziele der Bewegung zu kämpfen.

In einem Forschungsprogramm zu dieser Thematik untersuchten Simon, Stürmer und Kollegen die Rolle zweier unterschiedlicher Formen sozialer Identifikation in einer Serie von Feldstudien in unterschiedlichen sozialen Bewegungen.
- Stärke ihrer Identifikation mit der Gruppe
- Identifikation mit der sozialen Bewegung bzw. einer entsprechenden formalen Bewegungsorganisation

-> Identifikation mit der Bewegung typischerweise ein zuverlässigerer Prädiktor der Bereitschaft zur Teilnahme (bzw. der tatsächlichen Teilnahme) ist, als die Identifikation mit der breiten sozialen Gruppe, für die die Bewegung sich einsetzt.
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Zwei-Wege Modell sozialer Bewegungsbeteiligung
Zusammenführung von Untersuchungen des Kosten-Nutzen-Ansatzes zur Teilnahmenmotivation von Klandermans und dem sozialen Identitätsansatz:

Sowohl die Indikatoren des Kalkulations-prozesses à la Klandermans als auch Indikatoren der sozialen Identitäts-prozesse (Identifikation mit der Bewegung) trugen unabhängig voneinan-der zur Vorhersage der Teilnahmebereitschaft bzw. der tatsächlichen Teilnahme bei.
„Wenn ich weiß, wer ich bin, weiß ich auch, was ich zu tun habe, unabhängig von den unmittelbaren Kosten und Nutzen.“

Der Effekt sozialer Identifikation mit der Bewegung auf die Teilnahmemotivation beruht auf einer Internalisierung der Gruppenziele bzw. einer daraus resultierenden inneren Verpflichtung zur aktiven Partizipation.

Modell vorgeschlagen, das zwei Wege zur Teilnahmemotivation spezifiziert,
- zum einen die Kalkulation von Kosten und Nutzen
(im Sinne einer instrumentellen Motivation auf der Grundlage extrinsischer Anreize)
- zum anderen Identifikation mit einer politisierten Gruppe.
(intrinsische Motivation auf der Grundlage einer inneren Verpflichtung, sich für die Ziele der sozialen Bewegung einzusetzen und dadurch die eigene soziale Identität zu verifizieren)
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Gruppenbasierte Emotionen
Geschichte: Menschen werden in erster Linie durch irrationale und feindselige Emotionen wie Wut und Hass zu Protesten angestachelt  (z.B. bei LeBon 1895/1947).
Emotionen als  irrationale individuelle Phänomene
-> empirisch und theoretisch widerlegt

  • Emotionale Prozesse sind für die Erklärung von Protestverhalten von Bedeutung.
  • Emotionen wie Verärgerung und moralische Empörung über sozial geteilte Missstände im Kontext aktueller Erklärungen kollektiver Politisierungsprozesse eine wichtige Rolle: Emotionen als kollektive Phänomene, die aus kollektiv geteilten Interpretationen der Intergruppenbeziehung resultieren.


Gefühle gruppenbasierter Ungerechtigkeit haben einen Effekt auf die Teilnahmemotivation, der über die Einflüsse von Kosten-Nutzen-Kalkulations- und Identifikationsprozessen hinausgeht. Zudem scheinen gruppenbasierte Gefühle von Ungerechtigkeit die Politisierung von sozialer Identität zu begünstigen

Empfindungen von Schuld oder Scham, die aus der Wahrnehmung eines kollektiven historischen Fehlverhaltens der Eigengruppe resultieren. Gefühle grup-penbasierter Schuld eine wichtige Motivationsquelle für die Bereitschaft von Mitgliedern privilegierter Gruppen sind, sich für unterprivilegierte so-ziale Gruppen einzusetzen
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Biographische Faktoren und individuelle Differenzen
Faktoren, die die Übernahme eines Collective Action Frames oder einer politisierten sozialen Identität begünstigen:

Familiärer Hintergrund: Forschungsarbeiten zu Unterschieden zwi-schen sozialpolitischen Aktivisten und politisch inaktiven Personen weisen auf die Bedeutung von politischen Sozialisationserfahrungen innerhalb der Herkunftsfamilie hin. Insbesondere eine (links)liberale Orientierung innerhalb der Familie scheint offenbar eine spätere sozial-politische Partizipation zu begünstigen.
Sozio-ökonomischer Status und Bildungsgrad: Einer der konsistentesten Befunde im Hinblick auf das soziodemographische Profil politisch aktiver Personen ist, dass diese typischerweise aus ökonomisch eher privilegierten Verhältnissen kommen und einen höheren Bildungsgrad aufweisen als politisch wenig aktive Personen.
Politische Selbstwirksamkeitserwartung: Personen mit einer hohen Ausprägung politischer Selbstwirksamkeitserwartung sind davon überzeugt, dass sie durch ihr eigenes Handeln Einfluss auf politische Entscheidungsprozesse haben und dass es von daher einen Unterschied macht, ob man sich engagiert oder nicht. Diese Form der Selbstwirksamkeitserwartung ist mit Überzeugungen im Sinne der Handlungskomponente des Collective Action Frames assoziiert

Zusammenfassend kann man festhalten, dass bestimmte biographische Faktoren und individuelle Differenzen es begünstigen, dass Personen Eingang in das Mobilisierungspotential einer Bewegung finden bzw. bestimmte Überzeugungen im Sinne des Collective Action Frames übernehmen. Ob sie sich dann aber tatsächlich aktiv an konkreten Aktionen der Bewegung teilnehmen, hängt im Weiteren davon ab, ob sie die oben beschriebenen Stufen zur aktiven Partizipation überwinden.
Kartensatzinfo:
Autor: Lise Langstrumpf
Oberthema: Psycholgie
Thema: Sozialpsychologie 03407
Schule / Uni: FU Hagen
Veröffentlicht: 13.12.2014
 
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